„Die ostdeutsche Wirtschaft darf nicht zum Kollateralschaden des Öl-Embargos werden“, erklärte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), gegenüber WELT. Die Bundesregierung müsse „finanzielle und strukturelle Hilfen in Gang setzen. Dazu erwarten wir sehr zeitnahe, schlüssige Konzepte“, sagte der CDU-Politiker unmittelbar vor dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz und dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider (beide SPD), am Montag auf der Ostseeinsel Riems.

„Ostdeutsche Wirtschaft ist in einigen Strukturen der westlichen bereits überlegen“

„Ostdeutsche Wirtschaft steht mit Rückenwind da und holt auf“, sagt Minister Robert Habeck beim ostdeutschen Wirtschaftsforum. Das sehe man primär an großen Firmen wie Intel oder Tesla, die in jüngster Zeit intensiv in der Region investiert haben. Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Thüringen, Dietmar Woidke (SPD) und Bodo Ramelow (Linke), forderten ebenfalls vom Bund Unterstützung für den Osten. SPD-Co-Chefin Saskia Esken zeigte Verständnis: „Wir dürfen das Gebot der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse nicht aus dem Blick verlieren.“ Die Inflation im Mai ist aufgrund der Bezugsquellen für Energie zum Teil höher ausgefallen als im gesamtdeutschen Durchschnitt. In Brandenburg lag sie bei 8,5 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern bei 8,3 Prozent, zugleich liegt das Lohnniveau unter dem der meisten Bundesländer im Westen.

Verhaltenes Echo auf Forderungen aus dem Osten

In der Bundesregierung ist das Echo auf die Forderungen der Ost-Landeschefs jedoch verhalten. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sagte beim Ostdeutschen Wirtschaftsforum im märkischen Bad Saarow, die Bundesregierung habe seit Monaten gerade vor dem Hintergrund der Pandemie umfassende Zuschüsse, Zulagen, Hilfsprogramme oder Darlehensprogramme für Bürger und Firmen auf den Weg gebracht. Und das in so einem Umfang, „dass wir das, was wir bei Corona gesehen haben, uns einfach im Moment nicht mehr leisten, vielleicht nicht mehr leisten können – mit der Gießkanne übers Land zu gehen und Unternehmen wie Verbraucher mit Wohltaten zu unterstützen“. Damit machte der Wirtschaftsminister deutlich, dass die Mittel der Bundesregierung begrenzt sind und damit auch die Bereitschaft, alle Folgen der Teuerung auszugleichen. Für zwei Entlastungspakete hat der Bund bislang 30 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, derzeit wird in der Ampel-Koalition darum gerungen, wie weitere Entlastungen finanziert werden sollen. Die FDP besteht darauf, dass wie vereinbart die Schuldenbremse ab 2023 wieder eingehalten werden muss. Lesen Sie auch Lesen Sie auch Lesen Sie auch Grüne und SPD drängen jedoch zu Entlastungen und zur Umsetzung aller im Koalitionsvertrag vereinbarten Projekte. Habeck hat sich mit seiner Ansage in Bad Saarow nun hinter die Position von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gestellt, der auch in der Krise Ausgaben mit Augenmaß fordert. Wirtschaftsminister Habeck betonte beim Wirtschaftsforum die Leistungskraft der Wirtschaft in den ostdeutschen Bundesländern und die guten Zukunftschancen der Regionen, die mit dem Ausbau der erneuerbaren Energie einhergingen. Im Osten gibt es allerdings nur zwei Raffinerien, die Kraftstoffe herstellen, und die sind bislang auf Öl aus Russland angewiesen. Kommen von dort keine neuen Lieferungen, könnten Benzin und Diesel knapp und damit teurer werden, weil sie über neue Bezugswege in den Osten transportiert werden müssten.

Garantien bei der Treibstoffversorgung

Entsprechend groß sind die Sorgen in den ostdeutschen Staatskanzleien – auch was die Leistungsfähigkeit der Unternehmen angeht. „Wir erwarten schlüssige Konzepte, um die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Mineral- und Chemieindustrie zu gewährleisten“, fordert daher Haseloff. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat vor allem die Chemieindustrie und Raffinerien im traditionellen Industriedreieck von Leuna, Buna und Schkopau im Blick. Die dortigen Chemieparks müssten sich auf Gaslieferungen verlassen können, betonte er vor dem Treffen mit Scholz. Wenn russisches Gas wegfalle, könne man sich zwar aus anderen Quellen versorgen. Doch diese Lieferungen vom Weltmarkt seien wesentlich teurer. Damit könne die Industrie nicht wirtschaften. Lesen Sie auch Er schlägt deshalb einen „innerdeutschen Ausgleich“ vor, neben der Versorgungssicherheit also gleiche, „vernünftige Energiepreise“ im Bundesgebiet. Alles andere würde die Akzeptanz der von der Bundesregierung gefassten Beschlüsse in Ostdeutschland gefährden. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Woidke drängt die Bundesregierung zu handfesten Zusagen. Im WELT-Gespräch hatte der Sozialdemokrat betont, dass die Ampel-Koalition „über die europäischen Sanktionen“ hinausgegangen sei. Damit stehe die Bundesregierung „in der alleinigen Verantwortung für die Bewältigung der Folgen dieser Entscheidung“. Woidke mahnt Garantien bei der Versorgungssicherheit mit Treibstoff, bei der Beschäftigung und für den Fall weiterer Preissteigerungen im Energiesektor an. Lesen Sie auch Der Regierungschef von Thüringen, Ramelow, setzt sich indes seit Wochen dafür ein, dass die in Südthüringen beheimatete Glasindustrie auf die Liste der kritischen Infrastrukturen und Industrien gesetzt wird, die im Falle von Lieferausfällen oder Gasengpässen vorrangig versorgt werden. Er habe vom Kanzler die Zusage, dass das der Fall sei, sagte Ramelow vorige Woche. An der Glasindustrie hängen in der Region Tausende Arbeitsplätze. Wirtschaftsminister Habeck machte jedoch klar, dass die Bundesregierung nicht Hilfen für den Erhalt aller Jobs leisten könne. „Die Aufgabe ist nicht, entgangene Gewinne zu kompensieren, sondern meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass Unternehmen, die noch wettbewerbsfähig sind, jetzt nicht wegen der Preise vom Markt verschwinden“, sagte der Grünen-Politiker und Vizekanzler auf dem Wirtschaftsforum. Ihm sei klar, dass das „Härten bedeutet“ und „bitter sei“, Unternehmen Unterstützung zu versagen, die nach der Corona-Pandemie endlich wieder durchstarten wollten. Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du . Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.