Anlass für den besonderen Staatsbesuch war ein besonderes Jubiläum, denn diese Freundschaft hatte 50 Jahre früher begonnen, zumindest finanziell. Im Juni 1968 schloss Österreich dann seinen ersten Gasliefervertrag mit der Sowjetunion – dem ersten westlichen Land überhaupt. Zudem ist halb Europa bis heute in der Energieversorgung auf Moskau angewiesen.

Österreich als “Schlüsselland” für Moskau

Ein halbes Jahrhundert später sprach Van der Bellen in seiner Rede von einer “Zusammenarbeit, die in den letzten Jahrzehnten gut funktioniert hat und für beide Seiten gut funktioniert hat”. Putins Amtskollege bezeichnete Österreich als „Schlüsselland“ für die Energieversorgung Westeuropas: „Das Jubiläum symbolisiert die bewährte fruchtbare Zusammenarbeit, und unsere beiden Länder wollen diese Zusammenarbeit in Zukunft verstärken.“ Insbesondere mit einem neuen Liefervertrag zwischen der OMV und der russischen Gazprom. Eine langfristige Entscheidung, denn sie soll bis 2040 gelten. APA/OMV Gazprom-CEO Alexei Miller und der damalige OMV-CEO Rainer Seele unterzeichnen den Vertrag, im Hintergrund feiern der russische Präsident Putin und der damalige österreichische Amtskollege Sebastian Kurz (von links) Doch wie kam es 1968 zu diesem bedeutsamen Zustand – zu einer Zeit, als für die meisten Menschen die Welt im Eisernen Vorhang endete? Seine Wurzeln reichen bis in die frühen 1960er Jahre zurück, damals bezog Österreich seine Energie hauptsächlich aus Kohleimporten. Energietechnisch spielte die Sowjetunion keine Rolle – vermutlich wurde dorthin exportiert. Insbesondere hatten die Sowjets im Staatsvertrag von 1955 zehn Millionen Tonnen Rohöl von Österreich gefordert, eine Art Entschädigung, die innerhalb von zehn Jahren zu zahlen war. wikimedia commons Die Laternen wurden meist mit Stadt- oder Gasbeleuchtung betrieben Gas spielte bisher eine untergeordnete Rolle. Teilweise entstand es als Nebenprodukt der Erdölförderung, hauptsächlich wurde aber nur „Stadtgas“ verwendet. Diese Form wurde aus der Kohlevergasung gewonnen und hauptsächlich zur Beleuchtung verwendet – allerdings war sie relativ ineffizient und aufgrund ihrer Toxizität auch gefährlich.

Betrieb mit Erdgas

Die Boomjahre nach dem Krieg brachten dieses System an seine Grenzen. Vor allem Industrieunternehmen wie der Stahlkonzern Voest haben das große Potenzial von Gas erkannt. Gaskraftwerke werden für Energieunternehmen immer attraktiver – und auch Privathaushalte heizen mit Gas. All dies hat nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa zu einem beispiellosen Energiebedarf geführt. Neben Ölfeldern nutzte die OMV auch die Gasförderung im Marchfeld, doch für das erwartete Wirtschaftswunder würde diese heimische Förderung kaum ausreichen. Politik, Staat und Staatsbetriebe haben eingeräumt, dass Österreichs Wirtschaftsmaschine ohne zusätzliches Gas zusammenzubrechen droht.

Algerien, Libyen oder die UdSSR?

Daher wurden ab 1960 alle Importoptionen in Betracht gezogen. Als Optionen wurden Ereignisse in Algerien, Libyen, Kuwait und Saudi-Arabien sowie in den Niederlanden eingestuft – und seit 1964 zunehmend in der Sowjetunion, schreibt Marie-Louise Skolud. Für ihre Dissertation zum ersten Gasliefervertrag wertete sie historische Quellen aus dem Archiv der EVN aus. Viele Hindernisse erschwerten die Verhandlungen in den 1960er Jahren: Neben den technischen Herausforderungen beim Bau einer Pipeline vor allem politische Umwälzungen. In diesen Jahren wurde Algerien in einem blutigen Unabhängigkeitskrieg von der französischen Kolonialherrschaft befreit. Gleichzeitig liefern sich die Landesmineralienverwaltung (ÖMV) und die Energieunternehmen der Bundesländer in Österreich einen Machtkampf, der die Importgespräche weiter verzögert.

Lektion über die österreichische Gaskrise

VMV förderte 1964 in Österreich 1,7 Milliarden Kubikmeter Erdgas – allerdings konnte diese Förderung laut ÖMV-Geschäftsführer Fritz Hoynigg ohne weitere Exploration „nur drei bis vier Jahre aufrechterhalten werden“. Bereits 1966 war die Lage so dramatisch, dass zur Vermeidung einer akuten Gaskrise ein kurzfristiger – und damit teurer – Liefervertrag mit der Tschechoslowakei abgeschlossen werden musste. Trotz neuer Entdeckungen ging die heimische Produktion langfristig weiter zurück, bestätigte olfMV τύπου Rud Rudolf Schaffer im Januar 1968. Damals hatten die Verhandlungen mit der Sowjetunion ihren Höhepunkt erreicht und Erdgas aus Es wurde „sehr dringend“ benötigt Zu diesem Zeitpunkt gab es keine ernsthaften Alternativen zum sowjetischen Gas, und alle anderen Verhandlungen waren ins Stocken geraten.

Hoffnungen auf 50 Prozent Gas aus dem Osten

Die Hoffnungen auf Lieferungen aus dem Osten waren groß – zumindest unter den damaligen Umständen. „Bisher war der Inlandsverbrauch zwangsläufig durch die Inlandsproduktion begrenzt. “Wenn genügend importiertes Gas verfügbar ist, wird der Verbrauch steigen”, sagt Schaffer, “und kann zu einem späteren Zeitpunkt zu gleichen Teilen durch heimische Produktion und Importe gedeckt werden.” Zum Vergleich: Heute werden rund 80 Prozent aus Russland importiert, zehn Prozent aus anderen Ländern und nur noch zehn Prozent aus heimischer Produktion

Verhandlungen mit der Sowjetunion

Im Januar 1968 wurde die ORF „Zeit im Bild“ vom ÖMV-Pressesprecher zum Stand der Gasverhandlungen interviewt. Die Initiative zum Vertrag mit den Sowjets ging 1964 von Österreich aus. Das Land hatte in den Vorjahren nach westlichen Maßstäben gute Beziehungen zur UdSSR unterhalten. Während der Rezession nach der Kubakrise 1962 war es Zeit für weitere Schritte. Die Kontaktaufnahme erwies sich jedoch als schwierig, und nur vier Jahre später waren die Sowjets zu ernsthaften Verhandlungen bereit.

Versandbenachrichtigung

„Radio Niederösterreich am Nachmittag“, 13. Juni 2022 Das totalitäre sozialistische Regime hatte nun die enormen Chancen erkannt, die ein Vertrag mit Österreich bieten würde – einerseits als Türöffner zu anderen westlichen Ländern, andererseits zur Verbesserung der eigenen Infrastruktur. Deshalb wurde versucht, die österreichische Stahlindustrie einzubeziehen. Es sollte die Rohre für sibirische Pipelines liefern.

Der 1. Juni 1968 als Meilenstein

Tatsächlich kam es im Frühjahr 1968 zu einer Einigung und der erste Gasliefervertrag wurde am 1. Juni im Hause der ÖMV in Wien unterzeichnet. Voest verpflichtete sich, Brammen für 520.000 Tonnen Rohre zu liefern. Einschränkungen bei der Gasversorgung von Verbrauchern seien nun vom Tisch, sagte ÖMV-Geschäftsführer Ludwig Bauer damals der APA. Vertragslaufzeit: 23 Jahre – „aber seine Bedeutung für die österreichische Wirtschaft wird weit über diesen Zeitraum hinausgehen“, prognostizierte er. OMV Unterschrift am 1. Juni 1968 in Wien: Margarethe Ottillinger blickt in die Tiefe. Während der Besatzung von den Sowjets verschleppt und jahrelang im Gulag inhaftiert, profitierte VMV bei den Gasverhandlungen von den russischen Kenntnissen seines Vorstandsmitglieds. Nach jahrelangem Streit zwischen VMV und staatlichen Energieunternehmen wie NIOGAS in Niederösterreich einigte man sich auf folgende Lösung: Die ÖMV sollte als reiner Importeur an der Grenze auftreten und damit der einzige konventionelle Partner der Sowjetunion sein. Die gleichen Bedingungen wurden den Energieversorgern der Länder zugesichert, die das Gas an die Endkunden liefern. Der wohl größte Vorteil der Lieferungen aus dem Osten waren die geringen Investitionskosten. Die UdSSR hatte bereits 1964 eine „Zwillingsgasleitung“ zu ihren Satellitenstaaten gebaut. Sie lag nur wenige Kilometer von Bratislava in Österreich entfernt, und zwar in Baumgarten an der March (Region Gänserndorf). Innerhalb von drei Monaten sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein und im September das erste Gas aus dem Osten in Niederösterreich eintreffen. Die lange Vertragslaufzeit wurde ebenso als Vorteil gewertet wie die Vertragsklauseln, die keine Austrittsoptionen im Kriegsfall vorsahen.

Sowjetische Panzer im Nachbarland

Genau das soll wenige Wochen später eine große Rolle spielen. nicht in Österreich, sondern in einem Nachbarland. Die Tschechoslowakei (CSSR) hatte sich jahrelang politisch von der sozialistischen „Schutztruppe“ der UdSSR distanziert. Unter dem Kommunisten Alexander Dubcek hatte er Reformen wie die Abschaffung der Zensur durchgemacht und Schritte zur Öffnung unternommen. Am 21. August griffen Truppen des Warschauer Paktes ein und Panzer fuhren in Prag und Bratislava ein. Die Folgen für das benachbarte Österreich waren dramatisch. Das Militär warnte die Regierung frühzeitig vor 150.000 bis 200.000 Flüchtlingen – tatsächlich wurden es 1969 laut Historikerin Silke Stern auf über 210.000 geschätzt …