Feriencamp für “Initiation”

Laut Studie sind drei Viertel der Betroffenen Männer und ein Viertel Frauen. Die Mehrheit der Opfer erlitt die erste Misshandlung im Alter zwischen 10 und 14 Jahren. In mehr als 50 Prozent der Fälle war die kirchliche Beziehung zum Tatzeitpunkt sehr eng – etwa die Hälfte der Straftaten betrafen kirchliche Jugend- oder Ferienlager für den „Start“. Mehr als 80 Prozent der Straftaten betrafen der Studie zufolge sogenannte Praxisfälle, also Körperkontakt. In den meisten dieser Fälle ging es um Penetration oder Berührung der Genitalien. Die Mehrzahl der Fälle wurde erst von den Betroffenen nach 2010, also lange nach den eigentlichen Operationen, gemeldet. „Dennoch waren dem Bistum vor 2010 gut 100 Missbrauchsfälle bekannt“, sagte der Historiker David Rüschenschmidt bei der Vorstellung der Studie.

„Eindruck, dass keine konsequenten Maßnahmen ergriffen wurden“

Die Experten erklärten, dass die Beamten der Metropole die Strafverfolgung in vielen Fällen verhindert hätten. Zudem erweckten ihre Recherchen den „Eindruck, dass das Vorgehen 2010 noch nicht konsequent war“, so die Historikerin Große Kracht. Obwohl inzwischen Fortschritte erzielt wurden, gibt es immer noch Kommunikationsschwierigkeiten und erneute Verletzungen der Betroffenen durch kirchliche Kontakte und die Metropolverwaltung. In diesem Zusammenhang sei “staatliche Zurückhaltung nicht mehr angebracht”, sagte Große Kracht. Im Anschluss an die Pressekonferenz im Universitätsschloss wird der Bericht an Münsters Bischof Felix Genn übergeben. Am Freitag will er sich öffentlich dazu äußern. Das Team legte seinen ersten Zwischenbericht im Dezember 2020 vor, wobei Historiker von etwa 300 Opfern und 200 Verdächtigen berichteten. Das Projekt geht auf eine 2018 vorgestellte Missbrauchsstudie deutscher Bischöfe zurück. Die Forscher werteten die Akten aus und sprachen mit Betroffenen. 2018 ergab eine von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie, dass zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 katholische Geistliche 3.677 meist minderjährige Männer missbraucht haben sollen. Das Bistum Münster wählte einen anderen Weg als München oder Köln, wo Missbrauchsanzeigen Anwaltskanzleien anvertraut wurden. Münsteraner Historikern garantierte das Bistum absolute Unabhängigkeit. Im größten deutschen Bistum Köln hatte Kardinal Woelki eine Missbrauchsanzeige vorübergehend geheim gehalten.