Die westliche Zögerlichkeit rächt sich nun
Im neusten Lagebild der amerikanischen Denkfabrik ISW liegt die Überlegenheit der Artillerie nun bei 10-15:1 zugunsten Russlands. Einige Berichte sprechen sogar von einer 40:1-Unterlegenheit der Ukrainer. Hinzu kommt, dass die ukrainischen Streitkräfte allmählich an Munition erschöpft sind. Laut Geheimdienstberichten neigt sich sogar der Altbestand aus der Sowjetzeit dem Ende zu. Der Ersatz scheint nicht kurzfristig. Das ist wohl einer der Gründe, warum Gouverneur Hajdaj kein Blatt vor den Mund nimmt: Die Lage in Sewjerodonezk ist für ukrainische Verteidiger dramatisch. Das hat mit dem monatelangen Zögern im Westen zu tun. Erst zu spät konnten sich die westlichen Verbündeten zur Lieferung wichtiger Waffen durchringen. Jetzt läuft die Zeit ab. Der österreichische Militärexperte und Historiker Markus Reisner sagt, die Ukrainer im Donbass hätten derzeit keine Mehrfachraketenwerfer, insbesondere die beiden US-Systeme MLRS (Multiple Launch Rocket System) und HIMARS (High Mobility Artilery Rocket System). Ein Multiraketenwerfer BM-21 Grad der russischen Armee. Im Donbass-Gebiet wird immer mehr schwere Artillerie eingesetzt. (Quelle: Russisches Verteidigungsministerium / TASS / imago-images-pictures) Die Vereinigten Staaten hatten bereits die Kapitulation der beiden Systeme angekündigt, doch dann lenkte Präsident Joe Biden überraschend ein. Offensichtlich gibt es auch innerhalb der Biden-Regierung Bedenken, ob die Lieferung von Langstreckensystemen den Konflikt mit Russland weiter eskalieren könnte. Präsident Putin hat vorsorglich bereits entsprechende Drohungen nach Washington geschickt und davor gewarnt, diese Systeme auszuliefern.
Mit Schiffsabwehrraketen auf Landziele
Offenbar ist sich der Kreml-Chef der teils prekären Lage seiner Truppe bewusst. Obwohl Russland dem Donbass zahlenmäßig und materiell überlegen ist, erschöpft auch Moskau langsam seine Reserven. Das russische Militär war bereits gezwungen, MLRS-Raketenwerfer und 152-mm-Granaten aus der Region Irkutsk in Sibirien in den Donbass zu transportieren. Inzwischen greift sie auch häufiger auf alte und bereits ausgemusterte Ausrüstung zurück, etwa den T-62-Panzer oder die Schiffsabwehrraketen Raduga Ch-22.