Kostenlose öffentliche Verkehrsmittel, Solidarität, schnelle Integration in den Arbeitsmarkt: Der Umgang mit ukrainischen Flüchtlingen ist beneidenswert. Das sei oft unbegründet, sagt ein Sozialwissenschaftler.

1/6 Geflüchtete in der Schweiz werden zunehmend mit Neid und Ressentiments konfrontiert.
AFP Neid entsteht durch soziale Vergleiche, sagt Katja Rost, Sozialwissenschaftlerin an der Universität Zürich. UZH / John Flury „Wenn du schlechter abschneidest als alle anderen, führt das zu Frustration, Groll und Neid. „Das ist aber oft unbegründet, weil die Betroffenen ein eingeschränktes Bild von der Situation haben und sich weigern, die ganze Wahrheit zu sagen.“ AFP Ukrainische Flüchtlinge erleben in der Schweiz viel Solidarität. Lange Zeit konnten sie den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen und zielen mit dem Schutzregime S auf eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt ab. Das passt nicht jedem: Einige entwickeln Ressentiments gegenüber Kriegsflüchtlingen. In den sozialen Medien kursieren Postings, in denen beklagt wird, dass Menschen gerne ein GA selbst bezahlen möchten oder dass sie trotz aller Bemühungen seit Jahren arbeitslos sind.
In einem 20-minütigen Tiktok für Anya, die 20 Minuten nach ihrer Abreise aus Kiew einen Praktikanten gefunden hat, sind viele Benutzer auf die Kommentare neidisch. Ein Kommentator schreibt: „Kollege, ich war sechs Monate beim RAV gemeldet und habe kein Vorstellungsgespräch bekommen. “Und plötzlich ist Krieg und Jacques übt.”

Woher kommt der Neid der Ukrainer?

Neid ist laut der Soziologin Katja Rost immer eine Folge sozialer Vergleiche. „Wenn du schlechter abschneidest als alle anderen, führt das zu Frustration, Groll und Neid. „Das ist aber oft unbegründet, weil die Betroffenen ein eingeschränktes Bild von der Situation haben und sich weigern, die ganze Wahrheit zu sagen.“ Kommentatoren wissen zum Beispiel nichts über den Bildungsstand eines Flüchtlings, was ihn für das Amt besser qualifizieren würde als ein Schweizer. “Betroffene suchen oft einen Schuldigen für ihr Versagen – in diesem Fall Flüchtlinge.” Auch Vorurteile und eine generell ablehnende Haltung gegenüber Flüchtlingen gebe es laut Rost. „Das Gerücht, dass Flüchtlinge Jobs von Einheimischen bekommen, ist in Teilen der Gesellschaft weit verbreitet. Die große Solidarität und Unterstützung für die Ukrainer verstärkt dies zusätzlich. “So viele Einheimische haben das Gefühl, ungleich behandelt zu werden.”

Wie wirkt sich Neid auf die Gesellschaft aus?

„Leider ist es normal, dass eine Gesellschaft von Neid geprägt ist“, sagt Rost. Das hinterlässt zum Beispiel Spuren bei aggressivem Verhalten. „Am Ende des Tages kann man sich nicht bei allen bedanken. “Wer von Neid betroffen ist, sollte daher versuchen, sich gesellschaftlich in einem anderen Bereich zu vergleichen, in dem er besser abschneidet.” Dies ist jedoch schwierig, insbesondere wenn es um existenzielle Themen wie die Arbeit geht. „Nur selten hat Neid auch einen positiven Effekt, zum Beispiel eine gesteigerte Motivation, etwas Bestimmtes zu erreichen“, sagt die Soziologin. Laut der Bundesstelle für Rassismusbekämpfung gehören Diskriminierung und Rassismus zum Alltag von Geflüchteten. „Das S-Regime gibt vielen das Gefühl, dass ukrainische Flüchtlinge bevorzugt behandelt werden, zum Beispiel beim Zugang zu Arbeit“, sagt Marianne Helfer. “Wenn Menschen Privilegien bedroht sehen, wie zum Beispiel den einfachen Zugang zum Arbeitsmarkt, kann es zu Konflikten oder rassistischen Äußerungen kommen.” Wie stark ukrainische Flüchtlinge von Diskriminierung betroffen sind, kann der Leiter des Büros zur Rassismusbekämpfung nicht in Zahlen ausdrücken. Aber es gibt viele positive Anzeichen. “Fakt ist: Die Solidarität ist immer noch sehr hoch.”

„Die Angst vor Arbeitsplatzverlust konsolidiert“

Der Flüchtlingshilfe und der Stiftung Rassismus (GRA) ist keine Diskriminierung ukrainischer Flüchtlinge bekannt. Dennoch sei bekannt, dass ein kleiner Teil der Bevölkerung geglaubt habe, Flüchtlinge seien besser, sagt Pascal Pernet, Präsident der GRA. „Hinzu kommt die aktuelle finanzielle Unsicherheit. “Das verstärkt die Vorstellung, dass Flüchtlinge den Einheimischen Jobs wegnehmen.” Ein Blick auf die Arbeitslosenquote zeigt jedoch, dass dieses Argument unbegründet ist: „Letztendlich ist es einfacher, eine Minderheit zum Sündenbock zu machen. “Leider hat die Geschichte es immer wieder bewiesen.” Sind Sie oder jemand, den Sie kennen, besorgt über den Krieg in der Ukraine? Hier findest du Hilfe für dich und andere: Anmeldungen und Informationen für Gastfamilien: